In einem Bericht zum Parteitag bei der Kreismitgliederversammlung der SPD am 17.11.05 fasste Dieter Rosner die Stimmung des Parteitages folgendermaßen zusammen: „Der Parteitag war geprägt einerseits von Abschied (Schröder, rot/grün, Müntefering) und andererseits von der Sehnsucht nach Neuanfang.
Es wurde – auch das ein Zeichen der starken Emotionalität mit der wir Delegierte bei der Sache waren- so viel geklatscht wie noch nie. Heribert Prantl hat das in der SZ mit zwei Begriffen treffend formuliert: ‚Der Parteitag war geprägt von brausender Dankbarkeit und jubelndem Respekt.‘
Es war ein aufregender und spannender Parteitag, bei dem es zum Einstieg vor allem um eine rückblickende Verarbeitung der Lage in Berlin ging. Am Ende herausgekommen ist eine Art Festival des Zusammenrückens.
Matthias Platzeck hat dabei die Sehnsucht der SPD nach einem unbelasteten Neuanfang verkörpert und mit seiner bemerkenswerte Rede bei allen Delegierten vor allem das Herz erreicht. Das überwältigende Ergebnis seiner Wahl zum Vorsitzenden ist ein gewaltiger Vertrauensvorschuss. Man kann nur hoffen, dass wir in der Großen Koalition von der Welle der geradezu euphorischen Zustimmung nicht schon recht bald wieder auf den Boden der harten politischen Tatsachen zurückgeschleudert werden.“
Rosner hatte auf dem Parteitag gegen den Koalitionsvertrag gestimmt und dies in einer ausführlichen Stellungnahme begründet. „Aus meiner Sicht reichen die expansiven Impulse, die man vorsieht, bei weitem nicht aus, um das Jahr 2006 zum Jahr des großen Aufschwungs zu machen, mit dem man dann im Jahr 2007 schon mit Mehrwertsteuererhöhung und anderen Sparmaßnahmen konsolidieren will.
Staatsschulden verringern und Wachstum initiieren- das funktioniert nicht. Das ist paradoxes Sparen im Rahmen einer Stop-and-go-Politik. Das wird keine Arbeitsplätze bringen. Auch die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent ist nicht nur Gift für die Binnenkonjunktur, sondern auch und gerade für Familien, besonders von Geringverdienern, die einen Großteil ihres Einkommens in den Konsum stecken.
„Merkel-Steuer – das wird teuer“ lautete ein Flugblatt, das wir im Wahlkampf verteilt haben. An der Einschätzung hat sich nichts geändert. Indirekte bzw. Verbrauchssteuern sind eher unsozial, weil sie die ökonomische Leistungsfähigkeit und finanzielle Lage der Steuerpflichtigen nicht berücksichtigen. Dagegen ist die »Reichensteuer eher von symbolischem Wert.
Satte 4 Milliarden Euro will die Bundesregierung bei den Empfängern von Arbeitslosengeld II sparen – dagegen nehmen sich die 220 Millionen Euro, die für die Angleichung des Arbeitslosengeldes II im Osten an Westniveau fällig werden, recht bescheiden aus. Durch die geplanten Einsparungen bei Hartz IV und die Nullrunden bei den RentnerInnen werden in Zukunft noch mehr Menschen allein mit der staatlich garantierten Grundsicherung auskommen müssen.
Wer jünger ist als 25, darf nur mit Erlaubnis der Armutsverwaltung bei den Eltern ausziehen, wer in einer Wohngemeinschaft lebt, muss den Behörden beweisen, dass er dort mit niemanden eine intime Beziehung pflegt , und alle müssen jederzeit telefonisch erreichbar sein.
Beim Arbeitslosengeld II will die Regierung unter anderem dadurch kürzen, dass die Beiträge, die die Bundesagentur für Arbeit für jeden Langzeitarbeitslosen an die Rentenkassen überweist, gekappt werden. Bis zu 4 Milliarden Euro könnte die Bundesregierung dadurch einsparen – dieses Geld fehlte nicht nur der Rentenversicherung, sondern reduzierte die Rentenansprüche von Menschen, die erwerbslos werden.
Wer jenseits der 50 seinen Job verliert, läuft damit noch stärker Gefahr, die Zeit bis zum Ruhestand mit Arbeitslosengeld II überbrücken zu müssen, um dann in den Genuss einer nur kleinen Rente zu kommen. Unterschreitet das Ruhestandsgeld die Höhe des Arbeitslosengelds II, so wird es entsprechend aufgestockt – wiederum auf Höhe der so genannten Grundsicherung im Alter, die auf gleicher Höhe liegt wie die Grundsicherung für Arbeitssuchende, das ALG II. Für einen Alleinstehenden gibt es monatlich 345 Euro (Osten: 331 Euro) plus Unterkunft. Die Höhe dieser Grundsicherung wird damit noch mehr als bisher zum Maßstab für den Lebensstandard von Millionen Menschen.
Union und SPD erwägen zudem, künftig für Langzeitarbeitslose den möglichst frühen Rentenbeginn, auch mit Abschlägen, zwingend zu machen. Dann müssten Empfänger von Arbeitslosengeld II schon mit Erreichen des 60. Lebensjahrs in den Rentenbezug wechseln und dann ein um 18 Prozent gekürztes Ruhestandsgeld hinnehmen. Dies träfe zuerst Leute mit niedrigem Einkommen in ihrer Berufsbiografie.
Durch das Anheben des Renteneinstiegsalters auf 67 Jahre von 2012 an, könnten noch mehr Leute von staatlicher Grundsicherung abhängig werden. Wer 1970 geboren wurde, darf erst mit 67 Jahren in Rente gehen. Sonst drohen Abschläge – und diese wiederum führen zu Kleinrenten, die staatlich aufgestockt werden müssen,ich habe es bereits angesprochen.
Fazit: Ich habe gegen den Koalitionsvertrag gestimmt. Denn die karge Hoffnung auf Wachstum, wird durch eine verfehlte Steuerpolitik wieder zunichte gemacht. Das Versprechen gleicher Bildungschancen wird gegeben, es folgt aber kein finanzieller Ruck in der Bildungspolitik, sondern ihre Regionalisierung. Keine (Wieder-)herstellung der allgemeinen Sozialversicherungspflicht, aber auch kein Schritt in Richtung Staatsfinanzierung. Die Reichtumsschere öffnet sich weiter – Unten wächst der Sockel der Überflüssigen, weshalb die Sparanstrengungen auf eine Verbilligung ihrer Ernährung zielen.
Dazu kommt noch, dass der Kündigungsschutz gelockert wird. Für Neueingestellte gilt demnächst also erst mal eine zweijährige „Probezeit“ – erst danach kommen sie in den Genuss des gesetzlichen Kündigungsschutzes, der in allen Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten greift.