Dieter Rosner, Kreisvorsitzender der SPD Erlangen
Die Bundestagswahl ist nicht nur für die SPD ein Desaster. Angesichts einer historischen Niederlage unserer Partei und dem erstmaligen Einzug einer völkisch-nationalen, rassistischen Bewegung in den Deutschen Bundestag mischen sich in die große Enttäuschung einerseits auch ein wenig Ratlosigkeit und andererseits das Bedürfnis, Widerstand zu leisten gegen diesen Rechtsruck in unserer Gesellschaft.
Trotz aller Schwäche: Die SPD ist und bleibt die Brandmauer gegen Rechts. Jetzt geht es erst recht darum, offensiv und selbstbewusst jenen Interessen und Ideologien entgegenzutreten, die den sozialen Frieden und das soziale Wohl unserer Gesellschaft gefährden. Wir brauchen in Deutschland ein politisches Klima, das unmissverständlich klar macht: Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung werden von uns nicht toleriert. Das demokratische Zusammenleben in Deutschland braucht daher eine starke Zivilgesellschaft, mehr Zivilcourage und mehr denn je eine wehrhafte Demokratie. Dafür lohnt es sich zu kämpfen.
Wir sind aus der Regierung abgewählt worden. Es ist gut, dass die Parteispitze eine große Koalition ausgeschlossen hat, denn dort haben wir stark an Vertrauen und Profil eingebüßt. Wir stehen vor der großen Aufgabe, uns in der Opposition zu erneuern und das Profil als linke Kraft zu schärfen. Dafür sollten wir uns genügend Zeit nehmen.
Gerade jetzt brauchen wir neue Klarheit über unsere Richtung und neues Selbstbewusstsein hinsichtlich unserer Ziele. Gerade jetzt bedürfen Idee und Praxis der Sozialdemokratie wieder einer sehr prinzipiellen Begründung. Lassen wir es hieran fehlen, werden wir Sozialdemokraten aus dem historischen Tief nicht wieder heraus finden.
Was heißt das für uns? Was vor der Wahl galt, gilt jetzt umso mehr: Wir brauchen eine „Resozialdemokratisierung“, eine SPD, die vor allem wieder den Fokus auf die sozialen Fragen legt. Die wachsende Schere zwischen Arm und Reich in unserem Land, die sinkende Chancengleichheit und die damit verbundenen Verunsicherungen und Abstiegsängste machen Populisten stark und fördern die Distanz zwischen den Menschen und der etablierten Politik.
Es heißt für uns aber auch, selbstkritisch zu sein und ehrlich zu fragen, warum viele Menschen das Vertrauen in die Sozialdemokratie verloren haben. Wir müssen auch Fehler eingestehen, die wir in den letzten Jahren – gerade in der Zeit unserer Regierungsverantwortung – gemacht haben.
Denn das Glauwürdigkeitsproblem der SPD kommt nicht von Ungefähr. Viele Menschen glauben nicht mehr daran, dass wir für ihre Interessen arbeiten und diese durchsetzen werden.
Mit Martin Schulz ist es phasenweise zwar gelungen, die Hoffnung zu wecken, dass mit der SPD ein glaubwürdiger politischer Richtungswechsel möglich und ein mehrheitfähiges Bündnis links von der CDU/CSU gestaltbar sein könnte.
Heute wissen wir, dass der damalige Hype massiv überzeichnet war.
Es ist uns nicht gelungen, die geweckte Hoffnung in Glaubwürdigkeit und Vertrauen zu übersetzen und mit neuen Inhalten zu überzeugen. Die richtige Botschaft „Zeit für mehr Gerechtigkeit“ wurde im Wahlkampf zu formelhaft bemüht, blieb zu abstrakt und matt. Die vielzitierte asymmetrische Demobilisierung tat ihr Übriges.
Die dramatischen Probleme, von der anhaltenden Krise des Finanzkapitalismus, der wachsenden Ungleichheit, den großen Fluchtbewegungen über die globale Umweltzerstörung bis zu den neuen geopolitischen Zerwürfnissen, verlangen nach völlig neuen Antworten der Umverteilung. Diesen Herausforderungen müssen wir uns stellen. Doch aktuell fehlt es uns noch zu sehr an glaubwürdigen Botschaften und einer echten Machtperspektive. Diese gilt es zu erarbeiten.
Dafür müssen wir raus aus der Bündnisstarre. Wenn die SPD wieder als führende Regierungspartei links von CDU/CSU Verantwortung übernehmen will, dann bietet ein rot-rot-grünes Bündnis nach wie vor die größten inhaltlichen Übereinstimmungen. Es war ein Fehler, eine Koalition mit der Linken kategorisch auszuschließen. Die SPD muss ihre Ächtung der Linkspartei endlich beenden, damit Koalitionen jenseits der Union wieder möglich werden.
Wir brauchen eine klare Alternative für linke Mehrheiten in Deutschland. Deshalb müssen wir in der Partei in einer offenen, fairen und konstruktiven Diskussion unsere Richtung und unseren Kurs aushandeln.
Wir brauchen eine sozialdemokratische Politik der Zuversicht, die die Sorgen der Menschen ernst nimmt, die Weichen für mehr soziale Gerechtigkeit stellt und klar Position gegen Hass und Ausgrenzung bezieht!
Nehmen wir uns die Botschaft von Willy Brand zu Herzen: „Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist von Dauer. Darum – besinnt Euch auf Eure Kraft und darauf, dass jede Zeit eigene Antworten will und man auf ihrer Höhe zu sein hat, wenn Gutes bewirkt werden soll.“
Sind wir auf der Höhe der Zeit? Machen wir uns auf den Weg!