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SPD diskutierte zur Flüchtlingspolitik

Das Thema „Flüchtlingspolitik“ stand im Mittelpunkt der Jahreshauptversammlung der Erlanger SPD am vergangenen Donnerstag. Der aktuelle Anlass dazu war die Diskussion um die rigide Praxis im Erlanger Ausländeramt beim Umgang mit Flüchtlingen. Angelika Weikert, für Erlangen zuständige SPD-Landtagsabgeordnete, ordnete die Vorgänge dort in den Rahmen der bayerischen Flüchtlingspolitik ein.

Für Weikert, die sich seit Jahren nicht nur in ihrer Landtagstätigkeit, sondern auch ehrenamtlich für Flüchtlinge engagiert, ist die Flüchtlingspolitik in Bayern davon geprägt, Flüchtlingen den Aufenthalt möglichst unangenehm zu gestalten, um sie zur Wiederausreise zu bewegen. So müssten die Menschen sehr lange in Gemeinschaftsunterkünften bleiben, wo sie unter beengten Bedingungen, mit kaum Intimsphäre und unter teilweise sehr schwierigen hygienischen Bedingungen leben müssten. Der Auszug aus den Gemeinschaftsunterkünften werde insbesondere „geduldeten“ Flüchtlingen – Menschen, die keinen Asylanspruch haben, aber auch nicht abgeschoben werden können – über Jahre verwehrt. Damit hätten diese Menschen aber auch nur wenig Zugang zu Sprachkursen, zum Arbeitsmarkt oder zum sozialen Leben außerhalb der Unterkunft.

Weikert stellte die Forderungen der SPD für eine humanere Flüchtlingspolitik hervor. So solle der Aufenthalt in den Gemeinschaftsunterkünften zeitlich eng beschränkt werden und die Lebensbedingungen dort verbessert werden, zum Beispiel dadurch, dass Familien gemeinsam untergebracht würden und die Ausstattung mit sanitären Anlagen verbessert würde. Auch die Betreuung der Flüchtlinge müsse intensiviert werden. Für die Ausländerämter müssten klarere Entscheidungskriterien geschaffen werden, wann z.B. eine Aufenthalts- oder eine Arbeitserlaubnis erteilt werden solle, statt dies weitgehend Ermessensentscheidungen der Ämter zu überlassen. Die SPD-Landtagsfraktion habe diese Forderungen immer wieder im Landtag eingebracht, sei aber an der Mehrheit aus CSU und FDP gescheitert.

In der anschließenden Diskussion trafen die Forderungen Weikerts auf breite Zustimmung. Verabschiedet wurde ein umfangreicher Antrag zur Flüchtlingspolitik, der nachfolgend dokumentiert ist.

Dieter Rosner

Im zweiten Teil der Versammlung nutzte Kreisvorsitzender Dieter Rosner seinen Rechenschaftsbericht für eine Zwischenbilanz und Standortbestimmung: „Wir können zufrieden sein mit dem, was wir erreicht haben, aber wir haben beileibe noch nicht alles erreicht, was wir uns vorgenommen haben.“ Auf der kommunalen Ebene werde die SPD als die zentrale politische Alternative gesehen. Unter den derzeit unsicheren Mehrheitsverhältnissen in Erlangen ergebe sich die Chance, planerische, ökologische und soziale Fehlentwicklungen in der Stadtpolitik zu korrigieren.

Rosner appellierte an die SPD-Mitlgieder:„Mit Blick auf die Kommunalwahlen 2014 erheben wir als Erlanger SPD den Anspruch, wieder zur führenden Kraft im Rathaus zu werden. Packt mit an, damit unsere Ziele für die nächsten beiden Jahre von Erfolg gekrönt werden“

Beschluss: Für eine echte Willkommenskultur in Erlangen

Die SPD tritt uneingeschränkt für das offene, gleichberechtigte und solidarische Miteinander von Menschen unterschiedlicher Nationen und verschiedener Kulturen in Erlangen ein. Menschen mit Migrationshintergrund sind in unserer Stadt ein wesentlicher Faktor des Wirtschafts- und Arbeitslebens, der sozialen Sicherungssysteme und der kulturellen Vielfalt. Dazu gehören auch die Flüchtlinge und Asylsuchenden, die aus den unterschiedlichsten Gründen ihre Heimat verlassen haben und zu uns gekommen sind. Gerade in einer Stadt wie Erlangen, die ihre heutige Größe und Bedeutung der Aufnahme von Flüchtlingen – vor 300 Jahren und nach 1945 wieder – mitverdankt, muss sich der Wahlspruch „Offen aus Tradition“ bewähren.

Nach wie vor ist der Umgang mit Asylbewerberinnen und -bewerbern und Flüchtlingen in der Bundesrepublik Deutschland und insbesondere in Bayern unmenschlich und bleibt in vielen Bereichen hinter völkerrechtlichen Standards zurück. Umso wichtiger ist es für uns, dass die zuständigen Behörden in einer Stadt wie Erlangen geltendes Recht zu Gunsten von Flüchtlingen auslegen und Ermessensspielräume großzügig nutzen.

Die in jüngster Zeit öffentlich gewordene unmenschliche Härte, mit denen die Erlanger Ausländerbehörde gegen Hilfesuchende vorging, entsetzt uns. Der Erlanger Oberbürgermeister hat mit seinen bislang völlig unzureichenden Reaktionen auf die Vorwürfe dem Ansehen unserer Stadt großen Schaden zugefügt. Als Verwaltungschef ist er gefordert, zum Verhalten seiner Beamten endlich eindeutig Position zu beziehen, sich an der Aufarbeitung der Vorwürfe zu beteiligen und sich für einen menschlichen Umgang mit Flüchtlingen einzusetzen.

Die Versetzung eines einzelnen Beamten als „Bauernopfer” reicht keinesfalls aus. Vielmehr sind grundlegende strukturelle Verbesserungen beim Umgang mit Flüchtlingen und Asylsuchenden in unserer Stadt zu ergreifen. Wir begrüßen das intensive Engagement der SPD-Stadtratsfraktion und setzen und weiterhin für eine menschenfreundliche Migrationspolitik in Erlangen ein. Die Erlanger SPD fordert:

  • In Erlangen muss eine echte Willkommenskultur für Menschen mit Migrationshintergrund, für Flüchtlinge und Asylsuchende herrschen. Insbesondere der Oberbürgermeister ist gefordert, diese Willkommenskultur glaubhaft zu vertreten.
  • Über die beschlossene Schaffung einer mit Ausländerangelegenheiten befassten Stelle im Rechtsamt fordern wir, dass Abschiebungen vor ihrer Ausführung in letzter Instanz vom Oberbürgermeister persönlich geprüft und verantwortet werden müssen.
  • Die Erlanger Stadtverwaltung muss so rasch wie möglich gemeinsam mit den Flüchtlingsorganisationen und den Stadtratsfraktionen einen Handlungsrahmen für die Verwaltung zur flüchtlingsfreundlichen Auslegung von Ermessensspielräumen erarbeiten. Eine wesentliche Grundlage bildet dabei die vorbehaltlose Aufklärung der Vorwürfe gegen die Erlanger Ausländerbehörde entlang des von den Flüchtlingsorganisationen bei der Stadt vorgelegten Fragenkatalogs. Nicht die unbestrittene Frage, ob die Stadt rechtmäßig gehandelt hat, darf dabei den Ausgangspunkt bilden. Vielmehr muss überprüft werden, ob die Verwaltung ihre Ermessensspielräume zu Gunsten der Hilfesuchenden genutzt hat. Die bekannt gewordenen Fälle zeigen nämlich, dass es sich nicht um Verfehlungen eines einzelnen Mitarbeiters handelt, sondern die Ursachen in Struktur, Führung und Klima der Erlanger Ausländerbehörde liegen. Die vorgeschlagene Einbeziehung des UNHCR reicht zur Aufklärung der Vorwürfe nicht aus. Vielmehr fordern wir von der Stadtverwaltung auch die Einbeziehung des Deutschen Instituts für Menschenrechte.
  • Die Stadtspitze muss umgehend Maßnahmen zur Schulung von MitarbeiterInnen in der Stadtverwaltung zur Stärkung interkultureller Kompetenzen und zur Sensibilisierung für Bedeutung und Tragweite von Menschenrechten ergreifen.

Darüber hinaus fordert die SPD Erlangen Stadtspitze und Stadtrat auf, sich auf allen Ebenen für ein humaneres Einwanderungs- und Flüchtlingsrecht einzusetzen und fordert deutlichere Schritte zur Erleichterung der Einwanderung, zur finanziellen Absicherung der kommunalen Integrationsbemühungen und zur Verbesserung des rechtlichen Status von Asylbewerberinnen, Asylbewerbern und Flüchtlingen.

Besonders dringenden Forderungen sind für uns:

  • Die Unterbringung von Flüchtlingen in Gemeinschaftsunterkünften ist wenn möglich zu vermeiden, zumindest aber auf die kürzest mögliche Zeit zu beschränken. Die Stadt Erlangen ist aufgefordert, verstärkt die Unterbringung von Flüchtlingen in Wohnungen der GeWo-Bau zu ermöglichen.
  • Die personelle Ausstattung in den Gemeinschaftsunterkünften, insbesondere in den Zentralen Aufnahmeeinrichtungen ist umgehend zu verbessern. Zudem sind die Zuschüsse für die Sozialberatungen der Wohlfahrtsverbände drastisch zu erhöhen. Die Sozialberatung wird von den Kirchen und der freien Wohlfahrtspflege im Rahmen der Subsidiarität wahrgenommen. Die notwendigen Stellen werden von der Staatsregierung jedoch nur mit ca. 35 Prozent bezuschusst. Eine Erhöhung ist mehr als überfällig.
  • Eine Revision der Asylzuständigkeitsregelung (DUBLIN-II Verordnung), um allen Flüchtlingen, die in die EU kommen, Zugang zu einem fairen Asylverfahren in menschenwürdigen Lebensbedingungen zu ermöglichen.
  • Die Praxis von Frontex, der seit 2004 existierenden Agentur für die operative Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten im Bereich des Schutzes der Außengrenzen, Flüchtlinge schon vor dem Erreichen der nationalen Hoheitsgebiete „aufzubringen” und sie damit der Chance auf ein Asylverfahren zu berauben, muss beendet werden. Menschenrechte sind universell und gelten überall, auch auf „Hoher See“.