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SPD Erlangen: Korrekturen an Föderalismusreform notwendig

Laut einem Beschluss des SPD-Kreisverbandes Erlangen ist eine Reform des föderalen Systems in Deutschland durchaus sinnvoll, allerdings weist der derzeitige Entwurf der Reform noch erhebliche Schwachstellen auf.

So werden Umweltstandards durch den geplanten Wettbewerb konterkariert und das Bildungssystem zersplittert. Dem Bund muss aber vielmehr die Möglichkeit gegeben werden, sämtliche umwelrelevanten Bereiche bundeseinheitlich zu regeln. Auch für den Bildungsbereich fordern die Erlanger Genossinnen und Genossen einen Kompetenzzuwachs des Bundes.

Im folgenden finden sie den kompletten Wortlaut des Beschlusses:

Föderalismus – keine Reform um jeden Preis!

1. Föderalismusreform – im Grunde sinnvoll

Eine Reform des föderalen Systems in Deutschland ist notwendig und überfällig. Die bestehende Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern ist den aktuellen Herausforderungen nicht mehr angemessen, sie hemmt und blockiert erforderliche Entwicklungen. Das gilt auch und besonders für den Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes und für die Bildungspolitik.

Deshalb ist es im Grundsatz zu begrüßen, dass sich Bund und Länder im November 2005 auf einen zweiten Anlauf zur Föderalismusreform verständigt und die Ministerpräsidenten der Länder dem von der Föderalismus-Arbeitsgruppe vorgelegten Vorschlag im Dezember 2005 zugestimmt haben. Allerdings ist eine Föderalismusreform kein Selbstzweck. Ebenso wenig handelt es sich dabei um einen Basar, auf dem Bund und Länder nach Belieben um Zuständigkeitsbereiche feilschen könnten. Mit der Neuordnung des Kompetenzgefüges wird vielmehr die Basis für alle späteren Einzelmaßnahmen geschaffen.

2. Geplante Föderalismusreform drückt durch Wettbewerb auf Umweltstandards

Ziel der Reform des Grundgesetzes muss dementsprechend ein Verfassungsrecht sein, welches die Grundlage für einen effektiven, europatauglichen und an globalen Herausforderungen ausgerichteten Umwelt- und Klimaschutz schafft. Dieses Ziel wird mit der beabsichtigten neuen Kompetenzordnung weit verfehlt, zum Teil sogar konterkariert.

Geplant ist ein hoch kompliziertes und inkonsistentes, vom Glauben an den Wettbewerb getragenes Kompetenzgefüge, das grenzüberschreitenden Umweltproblemen nicht gerecht wird, einem Umweltdumping zwischen den Bundesländern Tür und Tor öffnet, langwierige Rechtsstreitigkeiten über unklare Kompetenzabgrenzungen geradezu vorprogrammiert und die im Koalitionsvertrag beschlossene Schaffung eines einheitlichen Umweltgesetzbuches mit einer integrierten Vorhabensgenehmigung in weiten Teilen von vornherein unmöglich macht.

Der verfassungsrechtliche Grundsatz „Bundesrecht bricht Landesrecht“ (Art. 31 GG) würde auf einmal in sein Gegenteil verkehrt. Auch andere Ziele des Koalitionsvertrages zum Umwelt- und Klimaschutz, wie beispielsweise die Wahrnehmung einer führenden Rolle im Klimaschutz oder ein wirksamer vorbeugender Hochwasserschutz, drohen mit den gegenwärtigen Vorschlägen zur Föderalismusreform zu bloßen Lippenbekenntnissen zu werden.

Weitere Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) sowie erhebliche Zwangsgeldforderungen seitens der EU-Kommission gegen Deutschland würden ebenso sehenden Auges in Kauf genommen wie ein fataler Wettlauf von 16 Bundesländern um die niedrigsten Umweltschutzstandards.

Die Vorschläge zur Föderalismusreform für den Umweltbereich müssen daher korrigiert werden.

Die Änderung des Grundgesetzes – der deutschen Verfassung – darf nicht zu einem Schnellschuss werden, der in einen regulativen Flickenteppich mündet und die Belange der im Einzelnen betroffenen Bereiche ausblendet.

Umweltschutz ist Staatsziel (Art. 20a GG). Dieses Ziel ist nicht disponibel.

Dem Bund ist im Rahmen der Reform die Möglichkeit an die Hand zu geben, sämtliche umweltrelevanten Bereiche bundeseinheitlich und übergreifend zu regeln. Diesbezüglich sind weder eine Erforderlichkeitsklausel noch Abweichungskompetenzen der Länder vorzusehen. Eine solche Kompetenzzuordnung wäre im Sinne von Klarheit und Rechtssicherheit sowie der Europatauglichkeit Deutschlands. Mit ihr würde die Grundlage geschaffen, auf die aktuellen Herausforderungen des Umwelt- und Klimaschutzes angemessener und wirksamer reagieren zu können. Denn Umweltprobleme machen nicht an administrativen Grenzen halt. Zugleich würde mit einer Gesetzgebungskompetenz „aus einem Guss“ sichergestellt, dass das von der Großen Koalition beabsichtigte Umweltgesetzbuch nicht zu einem bloßen Papiertiger verkommt, sondern tatsächlich zu effektiveren und übersichtlicheren Genehmigungsverfahren führt. Regionalen Besonderheiten in den Bundesländern kann durch Ausnahmebestimmungen ausreichend Rechnung getragen werden. Die Länder sollten ferner die Möglichkeit erhalten, unter Beachtung des europäischen Gemeinschaftsrechts materielle, über die Bundesgesetzgebung hinausgehende Schutzverstärkungen erlassen zu können.

Des Weiteren ist in den weiteren Verhandlungen das Bundesamt für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) als wichtigste Fachbehörde ebenso zu beteiligen wie externe Experten. Der bisherige Ausschluss des BMU ist ebenso wenig nachzuvollziehen wie der Verzicht auf eine ansonsten übliche Anhörung externer Experten.

3. Geplante Föderalismusreform zersplittert das Bildungssystem

Die Föderalismusreform überträgt die Kompetenzen im Bildungsbereich fast ausschließlich auf die Länder. Dort, wo der Bund noch Regelungen treffen darf – bei der Hochschulzulassung und den Hochschulabschlüssen – erhalten die Länder das Recht, von dieser Bundesgesetzgebung wieder abzuweichen. Welchen Sinn eine solche Regelung hat, erschließt sich zumindest nicht spontan.

Im Bildungsbereich ist ein deutlicher Kompetenzzuwachs des Bundes notwendig. Bisher stehen Menschen, die gerade eine Ausbildung absolvieren und von einem Bundesland in ein anderes umziehen vor dem Problem, sich in ein neues Bildungssystem eingliedern zu müssen. Gerade im Bereich der schulischen Ausbildung führt dies häufig dazu, dass SchülerInnen nach einem Umzug Klassen wiederholen oder die Schulart wechseln müssen. So kann beispielsweise einE GesamtschülerIn aus den nördlichen Bundesländern in Bayern nicht oder nur zu sehr strikten Bedingungen auf das Gymnasium wechseln, in der Regel muss sie/er die Hauptschule besuchen. Dies lässt sich nur dadurch lösen, dass bundeseinheitlich Standards sowohl für das Wissen nach bestimmten Jahrgangsstufen definiert werden als auch, solange das mehrgliedrige Schulsystem noch besteht, Anforderungen an die einzelnen Schularten klar und einheitlich formuliert werden. Im Rahmen dieser Standards könnten dann die Länder die Lehrpläne ausgestalten.

Bisher hatte der Bund im Schulbereich keine Kompetenzen. Die Föderalismusreform hätte hier die Möglichkeit geboten, umzusteuern. Statt dessen wird mit der insbesondere von Bayern angestrebten Zerschlagung der Kultusministerkonferenz, der einzigen Einrichtung, die bundesweite Absprachen für das Schulwesen ermöglicht, der umgekehrte Weg eingeschlagen und das Schulsystem weiter zersplittert. In einer Gesellschaft, in der Umzüge über Bundesländergrenzen häufig vorkommen, ist dies nicht akzeptabel.

Einheitlich geregelt war bisher zumindest in seinen Grundzügen das Hochschulsystem. Der Bund gab die Studienabschlüsse, die Zulassungsvoraussetzungen zum Studium, die demokratische Selbstverwaltung der Hochschulen, die Grundzüge der Forschung und die Beschäftigungsverhältnisse der an den Hochschulen Beschäftigten vor. Künftig bleiben dem Bund nur noch die ersten beiden Punkte, und auch hier können die Bundesländer eigene Regelungen erlassen. Zu erwarten ist damit, dass es keinen einheitlichen Hochschulraum in Deutschland mehr gibt. Einige Bundesländer werden zusätzlich zum Abitur weitere Zulassungshürden einführen. Vor allem die Bachelor-/Master-Strukturierung des Studiums wird dazu führen, dass ein in einem Bundesland erworbener Hochschulabschluss in einem anderen als nicht kompatibel zu den eigenen Abschlüssen abgelehnt werden und damit HochschulabsolventInnen eine Hochschullaufbahn und möglicherweise eine Laufbahn im öffentlichen Dienst in anderen Bundesländern verbaut wird.

Zum Chaos wird es aber vor allem bei den Beschäftigungsverhältnissen an den Hochschulen kommen. Hier hat sich schon in der Auseinandersetzung um die Juniorprofessur gezeigt, dass die Meinungen in den Bundesländern, wie Qualifikationen nach dem Studium erworben werden weit auseinanderklaffen. Fehlt künftig eine bundeseinheitliche Regelung zu den Dienstverhältnissen wird dies zum einen zu einem Überbietungswettbewerb bei Befristungen führen, zum anderen aber auch dazu, dass nach einem Hochschulwechsel in ein anderes Bundesland die Karriere wieder bei „null“, am Ende des Studiums oder nach der Promotion begonnen werden muss, weil erworbene Qualifikationen nicht anerkannt werden. Beschäftigte an Hochschulen werden daher einen Wechsel zwischen den Bundesländern künftig vermeiden, dem Austausch zwischen unterschiedlichen Schulen in der Wissenschaft ist dies zumindest nicht dienlich.

Die SPD Erlangen fordert daher, im Grundgesetz eine Zuständigkeit des Bundes für Bildungsstandards und Abschlüsse im Schulbereich festzuschreiben. Für den Hochschulbereich soll der Bund die alleinige oder konkurrierende Gesetzgebung ohne Ausnahmeklausel für die Bereiche Hochschulabschlüsse, Hochschulzugang (hier ist ein Abweichungsrecht im Sinne einer Ausweitung des Zugangs vorstellbar) und für die Grundzüge des Dienstrechts (im Rahmen der Regelungen, die bisher das Hochschulrahmengesetz hier getroffen hat) erhalten.