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Nein zur EU-Dienstleistungsrichtlinie

Der SPD-Kreisverband Erlangen lehnt die geplante EU-Dienstleistungsrichtlinie auch in der jetzt vorliegenden Form ab. In einem einstimmig gefassten Beschluss der Kreismitgliederversammlung am 22.6. heißt es: „Wir wenden uns nicht dagegen, dass Dienstleistungen auch grenzüberschreitend angeboten werden können. Aber die soziale Dimension Europas bleibt durch den Entwurf auf der Strecke. Es kann nicht sein, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Dauer die Verlierer in der Europäischen Union sind. Eine Dienstleistungsrichtlinie, die unseren Vorstellungen entspricht, muss sich an den Sozial-, Arbeits-, und Tarifrechtsbestimmungen sowie an den Umwelt- und Verbraucherschutzstandards des Nutzerlandes orientieren. Bevor diese Richtlinie in Deutschland umgesetzt wird, muss auch hier erst einmal eine Mindestlohnregelung geschaffen sein, die gerade die Beschäftigten in vielen Dienstleistungsbereichen betrifft. Alle Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge müssen klar ausgeklammert und ein Wettbewerb zwischen den verschiedenen nationalen Gesundheitssystemen verhindert werden. Solange dies nicht der Fall ist, muss daher der politische, der öffentliche und gesellschaftliche Druck Aufrecht erhalten werden.“

Begründung:
Die geplante Dienstleistungsrichtlinie ist ein fester Bestandteil der Lissabon- Strategie, mit der Europa „zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt“ gemacht werden soll. Viele Beschlüsse im Gefolge der Lissabon-Strategie stehen jedoch in einem stark neoliberalen Fahrwasser.
Die Dienstleistungsrichtlinie, mit der der freie Verkehr von Dienstleistungen entfesselt werden soll ist deshalb ein weiterer Schritt hin zu Liberalisierung, Deregulierung, ruinösem Wettbewerb und dem Rückzug des Staates aus dem öffentlichen Raum.

Nationale Sozial-, Tarifrecht-, Arbeitsrecht-, und Umweltstandards drohen unter Druck zu geraten, wenn die Europäische Kommission unbeirrt an ihrem Weg festhält. Es steht zu befürchten, dass hier ein ähnlicher Unterbietungswettlauf in Gang gesetzt wird, wie er in den letzten Jahren auch im Steuerbereich festzustellen war.

Die wichtigste Rolle und somit das Herzstück der Dienstleistungsrichtlinie stellt das Herkunftslandprinzip dar, das zum entscheidenden Hebel zur Beseitigung sozialer Standards und nationaler Regelungen werden kann oder soll. So soll festgelegt werden, dass der „Dienstleister einzig den Rechtsvorschriften des Landes unterliegen soll, in dem er niedergelassen ist“. Im Zuge massiver gesellschaftlicher Proteste wurden zwar leichte Entschärfungen durch das Europäische Parlament (EP) beschlossen, aber es besteht die Frage, ob hier nicht ein fauler Kompromiss herausgekommen ist.

Es muss schon kritisch stimmen, wenn der konservative EU-Parlamentarier Malcolm Harbour 1) anmerkt: „Was den Artikel 16 [Herkunftslandprinzip] der Richtlinie betrifft […] haben wir bezüglich seiner Substanz nicht nachgegeben. Die vorgesehenen Ausnahmen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der sozialen Sicherheit, der Gesundheit und der Umwelt sind ein wichtiger Bestandteil dieses Kompromisses. Weitere Ausnahmen auf der Basis von sozialpolitischen Gründen oder des Verbraucherschutzes sind in diesem Paket nicht enthalten, was die Bedingung der EVP-Fraktion war […].“

Damit fällt der Beschluss des europäischen Parlamentes sogar hinter die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGh) zurück, der die Anwendung des Ziellandrechtes bei weitaus mehr Fällen gelten lässt. Trotz leichter Entschärfungen droht die Entfachung eines gnadenlosen Wettbewerbes der verschiedenen europäischen Sozial- und Tarifrechtssysteme, die in einem Wettlauf der Unterbietungskonkurrenz enden werden.

Hinzu kommt: Viele ungenau ausformulierte Regeln geben Platz für Interpretationsspielraum. Es besteht zu befürchten, dass eine Flut von Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof ausgelöst wird, die diesem die entscheidende Auslegungsmacht zukommen lässt. Auch die öffentliche Daseinsvorsorge ist weiterhin nicht klar von der Dienstleistungsrichtlinie ausgenommen. So heißt es im Bericht des Europäischen Parlaments, dass unter Dienstleistungen „alle selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeiten […], die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden […]“ zu verstehen seien, also auch große Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge, die durch Entgeltleistungen erbracht werden.