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Für eine Politik, die Frieden schafft!

Peter Schönlein

Bei der Kreismitgliederversammlung der SPD Erlangen am 19. April hielt der ehemalige Nürnberger Oberbürgermeister Dr. Peter Schönlein ein fundiertes und engagiertes Plädoyer gegen den Krieg in Afghanistan.

„Es ist paradox. Wer den Krieg in Afghanistan ablehnt, das Festhalten am Krieg verurteilt, seine Fortsetzung für sinnlos hält, ist nicht etwa ein einsamer Rufer in der Wüste, ein politischer Sektierer, sondern er bewegt sich im Mainstream der Beurteilung gerade auch maßgeblicher Beobachter des Zeitgeschehens“, so Schönlein.

„Wieder einmal, so scheint es, stehen wir an einem Scheideweg. Wir dürfen nicht die Augen verschließen vor den allenthalben im Gange befindlichen Bemühungen, Krieg wieder als Mittel der Politik zu legitimieren und gesellschaftlich salonfähig zu machen. Die SPD muss sich dieser Herausforderung stellen. Helfen wir alle zusammen, diese Herausforderung zu bestehen“ appellierte Schönlein an die Erlanger Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten.

Nachfolgend Passagen aus der Rede von Peter Schönlein:

„Nahezu alle politischen Kommentatoren der jüngsten Zeit enthalten klare Aussagen, eindeutige Urteile und unmissverständliche Botschaften gegen den Krieg. Aber haben solche Erkenntnisse an den entscheidenden Stellen, in der Bundesregierung, im Deutschen Bundestag, etwas bewegt. Keineswegs. Erst im Januar dieses Jahres hat der Deutsche Bundestag auf Antrag der Bundesregierung mit breiter Mehrheit eine erneute Verlängerung des Militäreinsatzes beschlossen, selbst die für 2014 in Aussicht gestellte Beendigung ist unter den Vorbehalt gestellt, dass es die Lage erlaubt. (…)

Diese Entwicklung ist umso bedenklicher als in zunehmendem Maße der Geist des Interventionismus in Kreisen der Völkergemeinschaft grassiert. Schon spricht man davon, dass uns ein Zeitalter permanenter Einmischung bevorsteht und bisher unerschütterliche Grundsätze des Völkerrechts wie Souveränität und Integrität von Staaten, Nichteinmischung in deren innere Angelegenheiten durch neue Normen marginalisiert werden.

Allerdings sollte es man sich in diesem Punkte nicht zu einfach machen. Denn die Grundidee einer sehr viel stärkeren Übernahme von Verantwortung für unterdrückte, von Verfolgung und Tod bedrohte Menschen ist eine ethisch sehr hoch angesiedelte Maxime, die im letzten Jahrzehnt die grundsätzliche Zustimmung der Staatengemeinschaft gefunden hat. Was aber im Himmel der Ideale von bestechender Schönheit und Reinheit ist, erweist sich in den Niederungen der Praxis als eine höchst problematische Aufgabe, deren Umsetzung und konsequente Anwendung oft der Quadratur des Zirkels gleichen mag. Jedenfalls würde militärisches Einschreiten – in der Ursprungsidee auch gar nicht vorrangig vorgesehen – immer auch neue und erweiterte Rüstungsausgaben zur Folge haben, die schon sehr bald die meisten Truppensteller überfordern würde.

Vor allem aber ist bei jedem militärischen Einmarsch ist zu bedenken: Auf einen Sieg der Waffen folgt nicht automatisch auch ein Sieg der Werte, derentwegen man vorgibt einmarschiert zu sein. Immer häufiger würde es vermutlich nötig sein, für längere Zeit, womöglich für Jahrzehnte militärisch präsent zu sein, neokoloniale Zustände könnten die Folge sein.

Und bei der Vielzahl der Krisenherde auf unserem Planeten ist es kein Wunder, dass die NATO ausersehen sein soll, solche Aufgaben ganz oder teilweise zu übernehmen. Ich selbst hatte die Ehre, in das Hauptquartier der NATO nach Brüssel eingeladen zu sein. Ich weiß daher aus eigener Anschauung, welch gigantischer Apparat dort vorgehalten wird auch noch in den Zeiten nach Ende des Kalten Krieges, als dem Verteidigungsbündnis der oder die Feinde ausgegangen sind. Auf dem NATO-Gipfel in Lissabon wurde daher beschlossen, die NATO so neu aufzustellen und auszurüsten,
dass sie nicht nur einen, sondern mehrere Militär-Interventionen gleichzeitig bewältigen kann.

Ich bin mir darüber im Klaren, dass es für die deutsche Politik nicht einfach sein wird, im Geflecht der Bündnisverpflichtungen und vor dem Hintergrund der an Deutschland gerichteten Erwartungen, einen immer größeren Anteil der militärischen Lasten zu übernehmen, eine eigenständige politische Position zu behaupten – eine Position, die sich auf eine breite Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, auf die Erfahrung der Menschen hierzulande mit Krieg und auf ethische, nicht nur machtpolitische Grundsätze berufen kann.

Der Afghanistan-Krieg und die Beschäftigung mit ihm sind in diesem Zusammenhang deshalb so wichtig, weil dieser Krieg über den Einzelfall hinausweist, und als Auftakt und Modell für eine Welt gedacht ist, in der Konflikte nicht durch beharrliche und entschiedene politische Schlichtung, sondern durch Waffeneinsatz gelöst werden sollen.

Diejenigen, die vor den damit heraufziehenden Gefahren warnen, werden gerne als blauäugige Idealisten belächelt, als unbelehrbare Pazifisten abgetan oder überhaupt als untauglich für das politische Geschäft dieser Welt verhöhnt. Ethische Grundsätze? Ist das der Selbstbetrug von Menschen, die an einer sinnvollen, guten Welt festhalten wollen, weil ihnen zur Welt, wie sie ist, die Kraft fehlt?

Die Welt, wie sie ist. Ich frage: Ist die SPD nicht eigentlich deshalb entstanden, weil die Welt nicht so bleiben sollte, wie sie ist? Haben sich Generationen von Menschen nicht deshalb für diese Partei entschieden und sich in ihr engagiert, weil man dieser Partei den Willen und die Kraft zutraute, die Verhältnisse zu ändern im Sinne von sozialer Gerechtigkeit, demokratischer Teilhabe und gemeinsamem Eintreten für die eigenen Rechte wie für die Rechte anderer? War nicht vor allem der Friedenswille ausgeprägter als in anderen Parteien und selbstverständlicher Bestandteil der politischen Programmatik? Wäre es nicht ein Paradigmenwechsel ohnegleichen, wenn künftig der Begriff „internationale Solidarität“ sich mit der Bereitschaft zum Kriegseinsatz verbinden müsste?

Wieder einmal, so scheint es, stehen wir an einem Scheideweg. Wir dürfen nicht die Augen verschließen vor den allenthalben im Gange befindlichen Bemühungen, Krieg wieder als Mittel der Politik zu legitimieren und gesellschaftlich salonfähig zu machen. Die SPD muss sich dieser Herausforderung stellen. Helfen wir alle zusammen, diese Herausforderung zu bestehen.